Kultur in Andalusien - die Kulturrouten

Da Andalusien mit einem milden Klima ausgezeichnet ist, kann man sich das ganze Jahr über auf Entdeckungsreise begeben: Sagen wir fast das ganze Jahr über. Da man auf einer Kulturreise die geschützten Küstenregionen verlassen muss, also auch in der Bergwelt Andalusiens unterwegs ist, sind die Monate Januar und Februar weniger geeignet, schließlich kann es in der Sierra Nevada auch in tieferen Lagen durchaus mal kräftig schneien... Ansonsten sollte man bedenken, dass es der Mittagshitze wegen besser ist, im Hochsommer vormittags oder am späten Nachmittags unterwegs zu sein.

Zwei besonders empfehlenswerte Tourenvorschläge, die Kalifatroute und die Nasridenroute, für Kulturreisen durch Andalusien bringen Interessierten die Hochzeit der arabischen Ära in Europa näher. Auf den beiden Touren lernen Besucher das maurische Reich, bzw die Reiche Al Andalus, kennen. Die Herrschaft der Moslems dauerte etwa sieben Jahrhunderte und war lange von religiöser (Christen und Juden gegenüber), wirtschaftlicher und kulturellen Toleranz geprägt. Der Niedergang erfolgte durch Einflußnahme von afrikanischen Berberstämmen, die einen kriegerischen und intoleranten Islam vertraten.

Kalifat und Nasriden

Die Kalifatroute und die Nasridenroute verbinden den Beginn und das Ende der Maurenherrschaft miteinander.
Córdoba ist der Ausgangspunkt der maurischen Entwicklung auf der Iberischen Halbinsel und auch Ausgangspunkt der ersten Tour. 756 begründete der Omaijade Abd ar-Rahman I. das Emirat (Emirat = eine Provinz, die durch einen Prinzen verwaltet wird) von Córdoba, das im 10. Jh. zum Kalifat (Kalif = Stellvertreter Gottes) wurde. Córdoba verband in dieser Zeit Abendland und Morgenland miteinander, was Córdoba zu ungeheurem Reichtum verhalf. Zwischen repräsentativen, reich verzeierten Gebäuden aller Art lebten eine Million Einwohner.
Prachtvollstes Zeugnis aus jener Zeit ist die Mezquita von Córdoba, die ehemalige Moschee, in der sich eindrucksvoll die Baukunst der Omaijaden und ihre Philosophie widerspiegeln. Besonders die 856 rot-weißen Säulen in ihrem Inneren rufen beim Betrachter Erstaunen und Bewunderung hervor, vermitteln sie ein unvergleichliches Gefühl der Schwerelosigkeit und Weite, ein Losgelöstsein von allem Irdischen.
Neun Kilometer außerhalb von Córdoba liegen in den Ausläufern der Sierra Morena die Ruinen der Palaststadt Medina Azahara, die Abd ar-Rahman III, ein Nachfolger des Emirat-Begründers, im 10. Jh. für seine Lieblingsfrau bauen ließ. 25 Jahre hatten Tausende von Menschen an der prachtvollen Stadt gebaut, nur 40 Jahre nach ihrer Fertigstellung machten fanatische Berberheere sie dem Erdboden gleich. Heute kann man in der ruhigen Umgebung, in der die Ruinen seit einigen Jahren freigelegt und liebevoll restauriert werden, einen Eindruck von der einstigen Schönheit dieser Stadt mit ihren Säulen, Brunnen und Gärten gewinnen. Von hier geht die Route durch die Campiña, das fruchtbare Ackerland rund um Córdoba.

Die südliche Nebenroute und die nördliche Hauptroute

Von Campiña aus haben Reisende zwei Alternativen, Die nördliche Hauptroute führte auf Seitenstraßen durch das Weingebiet rund um Montilla und durch typische blendend weiße Ortschaften. Bei Alcalá la Real vereinigt sie sich wieder mit südliche Nebenroute.
Die südliche Route führt zunächst durch Fernán Nuñez mit seinem prächtigen Herzogspalast aus dem 17. Jahrhundert und durch Montemayor. Montemayor liegt auf einem Hügel dessen weißgetünchte Häuser ein zinnenbekränzte Burg aus dem 14. Jahrhundert umgeben. Weder seiner Burg noch den durchaus sehenswerten Palasthäusern, sondern seinem Wein verdankt Montilla seinen Ruhm.
Die Besichtigung einer der Bodegas und Probe der Weine, die ähnlich dem Sherry nach dem Solera-Verfahren produziert werden, sollte auch der kulturbegeisterte Reisende nicht versäumen. Am bekanntesten ist neben den Finos und Amontillados von Montilla der süße Pedro Ximenez Wein. Die Rebsorte Pedro Ximenez soll ein Deutscher mit Namen Peter Siemens aus seiner Heimat mitgebracht haben. Aus Peter Siemens wurde mit der Zeit Pedro Ximenez.
Eine Hochburg jüdischer Kultur war einst das knapp 35.000 Einwohner fassende Städtchen Lucena. Hier widmet man sich heute hauptsächlich der Herstellung von Keramik und der Kupfer- und Bronzeverarbeitung. Im Turm Torre del Moral wurde der letzte Nasridenherrscher Boabdil für kurze Zeit gefangen gehalten.

Route der Kalifen

Am kleinen weißen Dorf Cabra vorbei, erreicht man schließlich mit Priego de Córdoba einen weiteren erwähnenswerten Ort. Das Wahrzeichen dieser Kleinstadt mit ihrer langen musulmanischen Vergangenheit sind die herrlichen Brunnenanlagen der Fuente del Rey aus dem frühen Barock, die einen Besuch lohnen. Von hier erreicht man recht bald wieder die Nationalstraße 432 und damit den Hauptweg der Route der Kalifen.
Bleibt man von Córdoba aus auf dieser Hauptroute so gelangt man nach einer kurzen Fahrt durch die sanft gewellten Ackerlandschaft der Campiña in die wildschöne Karstlandschaft der Sierras Subbéticas, einem der zahlreichen Naturparks Andalusiens.
Der erste Ort an diesem Routenabschnitt ist Espejo mit seiner von den Kalifen errichteten Burg, die hoch über der kleinen Ortschaft thront. Auch Castro del Rio besitzt wie alle Dörfer, die an dieser mittelalterlichen Grenzregion zwischen christlichem und maurischem Herrschaftsbereich liegen, seine Burg. Die Dorfchronik weiß zu berichten, dass Miguel de Cervantes, der Autor des Don Quijote, hier einst eine Woche unfreiwillig im Kerker verbracht hat, den man heute in den Gewölben des Rathauses besichtigen kann.
Durch scheinbar endlose Olivenhaine geht es weiter nach Baena, einem weißen Städtchen, das weltweit für die hervorragende Qualität seiner Olivenöle berühmt ist. Ein Besuch der Ölfabrik Nuñez del Prado und ihrer alten Ölpresse sollten neben der Besichtigung der Kirche Santa Maria la Mayor, die einst Moschee war, nicht fehlen. Einer der zweifelsohne idyllischsten Orte inmitten der Sierra Subbéticas ist Zuheros, im 9. Jh. von den Mauren gegründet. Höhlenfreunde finden unweit des Ortes die sogenannte Fledermaushöhle, „Cueva de los murciélagos“ mit interessanten Felsenmalereien und Ausgrabungsgegenständen. Wanderern sei ein Abstecher in die nahegelegene Bailónschlucht zu empfehlen.
Weitere geschichtsträchtige Orte, die eng mit der Maurenherrschaft verbunden waren, folgen mit Luque und Alcaudete, bevor Alcalá La Real, das Eingangstor zur fruchtbaren Vega von Granada die Reisenden erwartet. „Qualat“, die befestigte Siedlung, auf die der Name Alcalá zurückgeht, war sechshundert Jahre lang fest in maurischer Hand. Ende des 15. Jhs. zogen die Katholischen Könige Ferdinand und Isabella von hier aus, um die Schlüssel der Alhambra vom letzten Maurenherrscher entgegenzunehmen.
Auf dem Weg Richtung Granada geht es jetzt durch fruchtbare, sattgrüne Landschaften an den Orten Colonera, Moclín mit seiner trutzigen Festigungsanlage, Pinos Puente, in dem eine alte Brücke aus der Kalifenzeit zu bewundern ist, und Güevéjar vorbei, das in arabischer Zeit den Namen Wahasar trug.Cogollos Vega wartet auf mit herrlichen Ausblicken auf den Naturpark Sierra Huétor und vielen Möglichkeiten zum Wandern, Fahrradfahren und Bergsteigen. Alfacar, der einstige „Weiler der Töpfer“ und Viznar schließlich sind die letzten Orte, bevor man Granada, das Ziel aller Routen durch Al Andalus und seine „rote Festung“, die Alhambra erreicht.